Zwischen Ideologie und Innovation: Die Pädagogischen Lesungen der ehemaligen DDR: Werkzeuge der Herrschaftsstabilisierung oder Instrumente zur Steigerung der Unterrichtsqualität?

Von dem „Theoria – Kurt von Fritz-Wissenschaftsprogramm“ des Landes Mecklenburg-Vorpommern finanziert, arbeiten transdisziplinär die Deutsch- sowie Geschichtsdidaktik an der Universität Rostock am Projekt „Pädagogische Lesungen“. Unter der Leitung der Professoren Tilman von Brand sowie Oliver Plessow wird dieses einzigartige Korpus untersucht, welches sich mit einem Umfang von circa 9.500 Exemplaren im Bestand der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin befindet. Ziel ist es, insbesondere für die Fächer Deutsch und Geschichte ein Fundament für fachdidaktische Forschungen zu legen. Im Hinblick auf die angestrebte Indoktrination der SED bieten die Pädagogischen Lesungen eine Möglichkeit, die Bildungspolitik der DDR aus einer neuen Perspektive zu erforschen: Makrostrukturell betrachtet, sind Lehrpersonen gesetzlich dazu angehalten, ihre Erfahrungen, pädagogischen sowie didaktisch-methodischen Innovationen schriftlich zu fixieren:

„Um die schöpferische Arbeit der Lehrer und Erzieher weiter zu entfalten, die besten Praktiker an die pädagogische Wissenschaft heranzuführen und neue Kader zu entwickeln, sind erfolgreiche Lehrer und Erzieher anzuleiten, ihre Unterrichtserfahrungen zu sammeln und schriftlich niederzulegen.“[1]

Als „vorbildhafte Unterrichtskonzepte“[2] wurden die besten Pädagogischen Lesungen seit Anfang der 1960er Jahre zentral im Berliner Haus des Lehrers gesammelt und in der Weiterbildung eingesetzt. Daher ist zu vermuten, dass sie einerseits gezielt perspektivieren, um Erziehung und Bildung im sozialistischen Sinne voranzubringen, andererseits mikrostrukturell den Blick in DDR-Unterrichtspraxis erweitern. Die Analyse, wie sehr dieses Textformat den politisch-ideologischen Ansprüchen zu entsprechen hatte oder doch Freiräume, vor allem bei didaktisch-methodischen Fragen, zu nutzen imstande war, soll jeweils für die Fächer Geschichte (K. Gloy) und Deutsch erfolgen.[3] Dabei gilt es auch zu klären, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in diesen Fächern zutage traten und inwieweit innovative didaktisch-methodische Praxiserkenntnisse noch heute von Interesse sein könnten.

 

[1] Verordnung zur Verbesserung der Arbeit der allgemeinbildenden Schulen vom 4. März 1954 (§60): Beilage 8/1954 der Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung, S. 1-13, hier: 12.

[2] Gloy, Karolin: Zwischen Ideologie und Innovation. Die Pädagogischen Lesungen der ehemaligen DDR, Werkzeuge der Herrschaftsstabilisierung oder Instrumente zur Steigerung der Unterrichtsqualität?, als Online-Ressource: https://www.geschichte.uni-rostock.de/forschung/forschung/forschungsprojekte/die-paedagogischen-lesungen-der-ehemaligen-ddr/, letzter Zugriff: 17.7.18.

[3] Friedrich, Bodo (2006): Geschichte des Deutschunterrichts von 1945 bis 1989 (Teil 1). Unterricht nach Plan? Untersuchungen zur Schule in der SBZ/DDR: Peter Lang. Frankfurt am Main (Beiträge zur Geschichte des Deutschunterrichts, 58).