Der Referent spricht vor Ort.
Abstract:
Als technikpositive Bewegung nehmen die Digital Humanities im Kontext des Klimawandels eine ambivalente Position ein. Auf der einen Seite versprechen sich die Geisteswissenschaften durch Digitalität von Quellenmaterial, Forschungsliteratur, Methoden und Wissenschaftskommunikation eine deutlich höhere Effizienz. Immer mehr Material wird online und in immer höherer Qualität verfügbar. Sekundärliteratur wird zunehmend im Open Access publiziert. Computative Auswertungsmethoden ermöglichen durch Analyse immenser Datenmengen neuartige Erkenntnisse. Wissenschaftskommunikation findet mehr und mehr in digitalen Formaten und Räumen statt. Der umfassende digitale Systemwandel ist im Kontext einer sich verändernden Wissenschaftspraxis auch politisch erwünscht und schlägt sich in entsprechenden Förderlinien nieder.
Auf der anderen Seite stehen durch die umfassende Digitalisierung auch ökologische Nachhaltigkeitsprobleme im Raum. Zum einen der stetig wachsende Berg an Elektromüll trotz global begrenzter Ressourcen, zum anderen der steigende Energiekonsum durch Datenübertragung und Rechenleistung, die schätzungsweise zwischen fünf und zehn Prozent des globalen Verbrauchs ausmachen, mit steigender Tendenz. Die Digital Humanities sind allerdings auf digitale Infrastrukturen umfänglich angewiesen. Wie kann im Kontext einer stetig steigenden Umweltbelastung durch Digitalisierung eine ökologische nachhaltige und gleichzeitig digital agierende Wissenschaftspraxis etabliert werden? Wie verhalten sich analoge Praktiken dazu? Wie agiert man verantwortungsvoll in einem komplexen System?
Kurzbio:
Torsten Roeder ist promovierter Musikwissenschaftler und arbeitet seit 2022 am neu errichteten Zentrum für Philologie und Digitalität der Universität Würzburg, wo er den Bereich der Digitalen Edition betreut. In einem eigenen Forschungsprojekt befasst er sich derzeit mit Erhalt und Erschließung des digitalen Kulturerbes der 1980er Jahre. 2021 vertrat er die Professur für Digital Humanities an der Universität Wuppertal, davor war er als wissenschaftlicher Referent an der Nationalakademie Leopoldina in Halle an der Saale und als Mitarbeiter in Forschungsprojekten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften tätig. Zusammen mit Anne Baillot initiierte er die AG »Greening DH« im Dachverband »Digital Humanities im deutschsprachigen Raum«.