Wissenschaftliche Erschließung und digitale Edition des kulturellen Erbes – Niederdeutsche Spruchsammlungen des 16. Jahrhunderts

Wol Godt dem Almechtigen vortruwet Und up syne wege buwet, De kann nicht tho schanden werden, Wedder dort noch hyr up Erden.

Spruchsammlungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit erlauben aufschlussreiche Einsichten in die kulturellen Praktiken der Formulierung, Weitervermittlung und Abwandlung von normativen Entwürfen. Die enthaltenen Texte können nach Manfred Eikelmann als „Ausdruck eines gemeinschaftlichen Erfahrungs- und Orientierungswissens“ gelten; sie zirkulieren z. T. über einen langen Zeitraum, sind äußerst variant und werden dabei ganz unterschiedlichen Verwendungskontexten angepasst. In diesem Zusammenhang stehen auch zwei Sammlungen mittelniederdeutscher Reimpaarsprüche, die spätestens seit 1540 in der Lübecker Offizin des Druckers Johann Balhorn d. Ä. produziert worden sind: Die Künstliken Werltspröke und das Schön Rimbökelin.

Während sich vom Rimbökelin lediglich ein Exemplar erhalten hat, sind von den Werltspröken bisher sechs unterschiedliche Ausgaben bekannt, deren späteste 1601 in Hamburg gedruckt worden ist; und auch wenn beide Sammlungen zum größten Teil einen gemeinsamen Bestand aufweisen, differieren sie doch im Detail in der Anzahl und Auswahl der in ihnen überlieferten Sprüche. Bei diesen handelt es sich zum überwiegenden Teil um Exzerpte aus Vorlagen wie dem 1539 in Rostock bei Ludwig Dietz gedruckten Reynke vosz de olde und der Rostocker Ausgabe des Narrenschiffes Dat nye schip vanNarragonien, die 1519 ebenfalls bei Dietz gedruckt wurde. Darüber hinaus finden sich u. a. kleinere Corpora mit Texten, die den Minnereden zugeordnet werden können, einer Fassung des Rats der Vögel und Sprüchen, die auf Bibelstellen verweisen.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert seit März 2016 ein zweijähriges Projekt unter der Leitung von Prof. Dr. Franz-Josef Holznagel, das dieses wichtige, aber bisher wenig erschlossene Corpus aus Werltspröken und Rimbökelin erstmals umfassend in den Fokus wissenschaftlicher Betrachtung rückt. Dabei schließt das Projekt konzeptionell, technisch und inhaltlich an die Arbeiten zum „Digitalen Archiv zum Rostocker Liederbuch“ (www.rostocker-liederbuch.de) an, das von 2012–2013 durch den Forschungsfonds Mecklenburg-Vorpommern gefördert worden ist.

Mit dem Vorhaben „Künstlike Werltspröke und Schönes Rimbökelin – Erschließung und digitale Edition niederdeutscher Spruchsammlungen des 16. Jahrhunderts“ sollen in Kooperation mit der Universitätsbibliothek Rostock sowie dem IT- und Medienzentrum der Universität Rostock folgende Ziele erreicht werden:

  • Erschließung und Beschreibung der Drucke
  • Anfertigung einer digitalen Edition des Corpus auf der Basis von TEI-XML
  • Erarbeitung einer Webdarstellung, die den edierten Text, Digitalisate der Überlieferung, Erschließungsdaten sowie exemplarische Studien zur Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte einzelner Sprüche und Spruchgruppen bereitstellt
  • Publikation einer Leseausgabe mit Kommentar, Übersetzung und ausgewählten Abbildungen

Mitarbeiter

  • Franz-Josef Holznagel – Projektleitung
  • Annika Bostelmann – Wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Doreen Brandt – Wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Hellmut Braun – Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Kontakt

Frau Annika Bostelmann
Institut für Germanistik
Am Reifergraben 4, Raum 202
18055 Rostock

Tel.: +49 381 498 2633
E-Mail: annika.bostelmannuni-rostockde