Vortrag im Rahmen der Reihe „Kultur im Kloster“ am 15. Dezember 2020 um 17.15 Uhr (online)

Im Jahre 1530 dominieren die niederdeutschen Versionen der Bibelübersetzung Martin Luthers den norddeutschen Buchmarkt bereits weitgehend. Nur wenige Monate nach dem Erscheinen von Luthers Septembertestament im Jahre 1522 werden mittelniederdeutsche Versionen dieses Textes aufgelegt. In den folgenden Jahren erfährt der niederdeutsche Luthertext mehrere Auflagen durch verschiedene Drucker und Bearbeiter. Höhepunkt bildet die von dem Mitstreiter Luthers, Johannes Bugenhagen, verantwortete niederdeutsche Gesamtbibel, die 1533 auf Basis der Lutherübersetzung in Lübeck gedruckt wird.

Diese Dominanz der reformatorischen Bibelübersetzungen versuchen die altgläubigen Rostocker Michaelisbrüder im Jahre 1530 durch den Druck einer gegenreformatorischen Korrekturbibel zu brechen. Das Unternehmen der Michaelisbrüder steht jedoch unter einem unglücklichen Stern. Aufgrund einer Intervention Luthers bei dem mecklenburgischen Herzog Heinrich V. verbietet der Rat der Stadt Rostock die Weiterführung der Druckaktivitäten. Vorsteher und Drucker der Michaelisbrüder werden unter Arrest gestellt, die fertigen Druckbogen beschlagnahmt und später als Altpapier verkauft. Dat nye Testament soll der letzte eigenständige Druck der Michaelisbrüder sein.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gilt der reformationsgeschichtlich, druckhistorisch und übersetzungswissenschaftlich hochinteressante Druck der Michaelisbrüder als verloren. Dann jedoch gelingt es, aus Fragmenten in den Beständen der Rostocker Universitätsbibliothek ein nahezu vollständiges Exemplar zu rekonstruieren. Zugleich findet sich ein zweites Exemplar im Bestand der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart.

Der Vortrag nähert sich dem Text aus einer dreifachen Perspektive. Diskutiert wird erstens die Entstehungsgeschichte der Übersetzung und ihre Einordnung in die zeitgenössische volkssprachige Bibelübersetzung Norddeutschlands. Zweitens soll seine sprachhistorische Bewertung versucht werden. Im Mittelpunkt steht drittens eine übersetzungsmethodische Analyse der Bibelausgabe der Michaelisbrüder. Mit den benannten Schwerpunkten sollen zugleich wesentliche Forschungsfragen eines derzeit in Konzeption befindlichen mediävistischen Projektes zu den Korrekturbibeln des 16. Jahrhunderts umrissen werden.   

Andreas Bieberstedt promovierte über die Translationstechnik spätmittelalterlicher Bibelübersetzungen, forschte u. a. über den rezenten Dialektwandel in der Metropolregion Hamburg und ist seit 2009 Professor für Niederdeutsche Sprache und Literatur an der Universität Rostock.

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