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Abstract:
Unsicherheit gilt in der Forschung häufig als Defizit, das es zu minimieren gilt. Im Kontext virtueller Rekonstruktionen birgt sie jedoch ein produktives Potenzial, indem sie die Grenzen historischer Überlieferung sichtbar macht, neue Erkenntnismöglichkeiten eröffnet und Ansatzpunkte für anknüpfende Forschung schafft. Die Dissertation, auf der dieser Vortrag basiert, untersucht Unsicherheit daher nicht als Störfaktor, sondern als Erkenntnisquelle.
Ausgangspunkt ist die virtuelle Rekonstruktion der Ausstellung Iwan Punis in der Galerie Der Sturm in Berlin 1921. Die Ausstellung steht seit Jahrzehnten im Fokus kunsthistorischer Forschung, ihre Überlieferung ist jedoch fragmentarisch. Schwarz-Weiß-Fotografien lassen Farbigkeiten offen, Katalogeinträge verweisen auf Gemälde ohne gesicherte Position und ganze Wandflächen sind nicht belegt.
Methodisch bildet der nutzerzentrierte Ansatz aus der Human-Computer Interaction (HCI) die Grundlage. Die Bedarfe der Zielgruppe werden systematisch erhoben, darauf aufbauend neuartige Visualisierungsmethoden entwickelt und iterativ erprobt. Im Rahmen der Dissertation werden diese Konzepte erstmals auf die Uncertainty-Visualisierung in virtuellen Rekonstruktionen angewendet, zu neuen Verfahren der Unsicherheits- und Informationsvisualisierung weiterentwickelt und empirisch evaluiert. Erstmals entstehen so belastbare quantitative Daten zur Wahrnehmung und Nutzung von Unsicherheit in diesem Kontext.
Die Rekonstruktion fungiert als Forschungstool. Der Vortrag zeigt, wie Unsicherheit in virtuellen Rekonstruktionen sichtbar und nutzbar gemacht werden kann und welche neuen Perspektiven dies auf historische Ausstellungen eröffnet.
Short bio:
Deborah Ehlers is a research associate at the Professorship for Interaction Design and User Experience at the University of Lübeck, where she coordinates the third-party funded project TheaDiPOLIS. She is pursuing a PhD on the representation of uncertainty in virtual reconstructions of historical exhibitions, combining approaches from media informatics, digital humanities, and art history. Her research focuses on interdisciplinary methods for modeling and visualizing uncertainty in humanities data.
Deborah studied art history and political science in Kassel, worked on projects related to virtual reconstruction and provenance research, and served as an assistant at the Bezalel Academy of Arts and Design in Israel. Following her studies, she conducted research and taught at the Institute for Digital Humanities in Göttingen, where she also led the VR Lab.