Stichworte zur akademischen Lehre

Konzeptionelle Überlegungen zur grundsätzlichen Ausrichtung der germanistischen Mediävistik

Im Anschluss an die wissenschaftliche Entwicklung der letzten fünfzehn bis zwanzig Jahre und an gegenwärtige Diskussionen um das Selbstverständnis und das Profil des Faches verstehe ich die germanistische Mediävistik als eine philologisch fundierte, interdisziplinär ausgerichtete Textwissenschaft, die ihren Gegenstand – die volkssprachliche Literatur von den Anfängen bis in die Frühe Neuzeit – im Kontext der mittelalterlichen Kultur untersucht. Die besondere sprachliche Verfasstheit der Texte impliziert dabei eine Zusammenarbeit mit der historischen Linguistik. Der interdisziplinäre Anspruch und die kulturhistorische Orientierung erfordern überdies einen Kontakt zu den jeweiligen Nachbardisziplinen (bes. zu den Philologien, aber auch zur Musik- und Geschichtswissenschaft, zur Kunstgeschichte und anderen Disziplinen) und eine Öffnung gegenüber historisch-anthropologischen, mentalitäts- und mediengeschichtlichen Fragestellungen. Des weiteren ist der Konnex von mediävistischer und neuerer Literaturwissenschaft zu wahren; von einem solcherart geweiteten Blick profitieren zum einen die in beiden Bereichen geführten Debatten um die theoretisch-methodische Grundlegung der Literaturwissenschaft, zum anderen versieht er übergreifende Problemstellungen (etwa: Körper und Schrift, Formen der Interaktion, Poetik der Visualität, Materialität der Kommunikation, Variabilität und Stabilität von Texten, literarische Codierungen von Lebensformen und Einstellungen) mit der erforderlichen historischen Tiefenschärfe.

Inhalte und Formen der akademischen Lehre

Inhalte der Lehre

Die philologische und interdisziplinäre Grundausrichtung der Lehre spiegelt sich in den thematischen Schwerpunkten der akademischen Lehre:

  • Kanonische Texte der alt- und mittelhochdeutschen Literatur (u.a. Das Hildebrandslied, Otfrid von Weißenburg Evangelienbuch, Das Annolied, Die Wiener Genesis, Das Nibelungenlied, Wolfram von Eschenbach Parzival, Gottfried von Straßburg Tristan, Hartmann von Aue Erec und Iwein, höfische Lyrik des hohen und späten Mittelalters, Der Stricker, Das Osterspiel von Muri, Das Redentiner Osterspiel, Oswald von Wolkenstein, Heinrich Wittenwîler Der Ring)
  • Literatur der Frühen Neuzeit (Johannes von Tepl Der Ackermann aus Böhmen; Luther Die gantze Heilige Schrifft Deudsch, Sebastian Brant Das Narrenschiff, Ein kurtzweilig Lesen von Dyl Ulenspiegel)
  • Gattungen / Texttypen der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters (Lyrik, Epik, Kleindichtungen des hohen und späten Mittelalters, weltliche und geistliche Dramatik)
  • Mittelalterliche Literatur in regionalen Kontexten (Literatur in Köln; Literatur in Sachsen und Thüringen; Literatur in Rostock und im niederdeutschen Raum)
  • Methodendiskussion (New Historicism / New Philology / Literarische Anthropologie / Literaturgeschichte als Überlieferungsgeschichte / Materialität der Kommunikation: Handschrift und Druck als Gegenstand der Literaturwissenschaft / Text und Bild / Text und Musik)
  • Grundlagen germanistischer Mediävistik (Überlieferung, Textkritik, Textgeschichte; Metrik; Poetik und Rhetorik; Literarische Formenlehre; Literatur im kulturellen Kontext; Einblicke in die neuere mediävistische Methodendiskussion; Fachgeschichte)
  • Editionsphilologie / Handschriftenkultur / Buchdruck
  • Vermittlung von Kenntnissen älterer deutscher Sprachstufen / Vermittlung einer eigenständigen Übersetzungsfähigkeit und einer Urteilskompetenz im Hinblick auf vorliegende Übersetzungen althochdeutscher, mittelhochdeutscher und frühneuhochdeutscher Texte / Historische Semantik / Sprachwandel im Mittelalter

Formen der Lehre

Die bisher praktizierte akademische Lehre deckt alle klassischen Lehrformen ab (Vorlesung, Seminar im Grund- wie Hauptstudium, Colloquium, Doktorandenseminar; Exkursion); gerade mit Blick auf die Herausforderungen, die das modularisierte Studium an die Lehrenden stellt, ist der Kanon üblicher didaktischer Präsentationsformen um fachübergreifende und praxisorientierte Seminartypen erweitert worden. So hat die enge fachliche Kooperation mit Prof. Dr. Hartmut Möller von der „Hochschule für Musik und Theater“ zu der Entwicklung von Seminarformen zum Thema „Editionsphilologie“ geführt, in denen die Studierenden die an sie vermittelten Grundlagenkenntnisse in Paläographie und Codicologie sowie die Einsichten in die gängigen literatur- wie musikwissenschaftlichen Editionstechniken nutzen konnten, um bislang unerschlossene Liedcorpora des 15. Jh.s zu interpretieren, zu edieren und vor allem musikalisch aufzuführen. Dabei erwies sich vor allem der Versuch, die in den Handschriften notierte Liedkunst in eine aktuelle gesangliche Performanz zu überführen, als ein enorm fruchtbarer methodischer Zugriff, um sich der spezifischen Poetizität der mittelalterlichen Lyrik anzunähern. Des Weiteren ist auf das Projektseminar zu Neidhart zu verweisen, das sich zum Ziel gesetzt hatte, Studierende zu einer literarisch-musikalischen Aufführung von Neidhart-Liedern anzuleiten. Ein weiterer Akzent ist die Kooperation mit der germanistischen Mediävistik der Universität Greifswald gesetzt werden, die sich 2010 in einem gemeinsamen Forschungsseminar niederschlägt, welches im jährlichen Wechsel auf der Insel Hiddensee oder in Rostock stattfindet.

Prof. Dr. Franz-Josef Holznagel

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Ich bin derzeit in einem Forschungsfreisemester und biete aus diesem Grunde nur Sprechstunden nach Vereinbarung an.

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